Peter Plate & Ulf Leo Sommer
Die beiden Autoren im Interview
Peter Plate & Ulf Leo Sommer
Das Interview
Um sich einem Stoff wie „Romeo & Julia“ zu widmen, muss man ein echter Romantiker sein. Wie schaut es bei euch aus?
ULF LEO SOMMER: Auf jeden Fall muss man die Liebe lieben. Aber das haben wir ja schon immer getan. Der Stoff ist ja nicht nur romantisch, sondern auch sehr komisch. Üblicherweise wird bei „Romeo & Julia“ immer von einer Tragödie gesprochen und dass die Handlung so traurig wäre, doch in meinen Augen ist sie bis auf den Schluss gar nicht so traurig.
Was macht die Faszination „Romeo & Julia“ für euch aus?
PETER PLATE: In meinem Fall bin ich schon mit „Romeo & Julia“ aufgewachsen. Man behandelte sie in der Schule, dann gab es noch den Film und später durften wir in Kiel für ein Theater Musik machen. Uns hat dieser Stoff nie wieder losgelassen. Interessant ist, dass man anders mit 55 darauf schaut, als noch mit 20, 30 oder 40. Der Blick verändert sich ständig; man bewertet es immer anders. Die Frage, ob es Liebe oder die Hormone waren, wollten sie einfach nur Sex haben oder war es Liebe, wird anders beantwortet. Unser Subtitel lautet dementsprechend auch „Hormone“. Und auch die Amme ist bei uns in den Wechseljahren. Wir treffen während der Handlung immer wieder auf Hormone. Das ist der Zugang. Und gerade der 1. Akt ist wirklich komisch. Das ist eine gute Vorbereitung, um später im 2. Akt die Tränen fließen zu lassen.
Wie hat sich die Arbeit mit Paul Csitkovics (Romeo) und Yasmina Hempel (Julia) gestaltet? Was macht ihren besonderen Reiz aus?
Ulf Leo: Wir haben lange gesucht und auch tolle Leute gesehen. Besonders wichtig war das Konzeptalbum. Wir lieben es, Alben zu machen, von denen wir dieses nun auf die Bühne bringen. Es gibt Stimmen, die sehr gut auf der Bühne funktionieren, die aber später bei Plattenaufnahmen hohl klingen. Unsere Besetzung kann beides. Yasmina hat mich beim Casting durch ihr Schauspiel umgehauen.
Mercutio wird bei euch als queerer Konkurrent von Julia, als Nebenbuhler um die Gunst von Romeo inszeniert...
Ulf Leo: Mercutio würde es auch nicht Liebe nennen. Ich glaube, damals gab es für gleichgeschlechtliche Liebe noch nicht einmal ein Wort. Wir können uns beide sehr gut in diese Situation hineinversetzen: Peter kommt aus einem kleinen Nest, genauso wie ich. Das Wort Homosexualität habe ich erst viel später kennengelernt und das Wort schwul war auch nicht so gebräuchlich in Pößneck, wo ich aufgewachsen bin. Man denkt, man wäre nicht ganz richtig. Das gleiche passiert auch mit Mercutio.
Steckt hinter dem queeren Mercutio auch ein aktivistischer/ gesellschaftspolitischer Ansatz?
Peter: Für mich definitiv. Es war noch nie so wichtig, aktivistisch zu sein wie heute. Gerade als queerer Mensch. Man darf sich nicht zurücklehnen, im Gegenteil. Wir sehen gerade überall auf der Welt, wie schnell die Uhren bei Themen zurückgedreht werden, von denen wir dachten, sie wären schon lange durch. Um so wichtiger ist es für uns als Künstler, das zu bedienen und zu sagen: Wir sind da und wir zeigen uns!
Ist es nicht traurig, dass die Darstellung eines queeren Mercutio immer noch als provokant gilt?
Peter: Ja, es ist total traurig und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist wichtig, jetzt nicht nachzulassen.
Ulf Leo: Deswegen war uns auch so wichtig, dass die Rolle der Julia wild angelegt ist, um auch ein modernes Frauenbild zu transportieren. Schon Shakespeare hat sie modern angelegt und sie ist auch immer modern geblieben. Damals wurde Shakespeare nur mit Männern gespielt. Heute könnte man ihn nur mit Frauen spielen oder alle Geschlechter durcheinander werfen – es würde trotzdem funktionieren! Es ist so eine starke Geschichte; wahrscheinlich haben wir uns deswegen auch so sehr in sie verliebt. Shakespeare versteht es, ein großes Drama mit einer irren Komik zu brechen. Es gibt nur Höhen und Tiefen, nichts dazwischen.
Fotos: Ferran Casanova
Die Single "Kopf sei still"
Die Ballade “Kopf sei still”, gesungen von Mercutio-Darsteller Nico Went.
Dazu Ulf Leo Sommer im Interview zu Mercutio, der Nebenbuhler von Julia um die Gunst von Romeo: "Mercutio würde es auch nicht Liebe nennen. Ich glaube, damals gab es für gleichgeschlechtliche Liebe noch nicht einmal ein Wort. Wir, Peter und ich, können uns beide sehr gut in diese Situation hineinversetzen."